Cuba - here's the story - Part 2
Viñales
Nach zwei zugegebenermaßen coolen Tagen mit Oldtimern, Rum, Daiquiris und viel Musik in Havana ging es mit der Gruppe in einem Kleinbus weiter auf eine Zigarrenfarm und von dort aus weiter nach Viñales, eine kleine Stadt im Westen Kubas, dessen Hauptstraße farbenfrohe Holzhäuser aus der Kolonialzeit zieren.
Schnell wird uns allen klar: Mehr als Reis, Bohnen, Avocado und Schweinefleisch (alles ohne Gewürze) wird es auf unserer Reise nicht geben. Die Kubaner leben vor allen Dingen von dem, was angebaut wird und vorhanden ist. 90% der auf einer Karte im Restaurant beschriebenen Gerichte gibt es meist nicht. Für mich als Nicht-Veggie unproblematisch. Was ich nicht verstehe, wie man sich allerdings als Vegetarier:in über das Essen beschweren kann, vor allem wenn man sich vorher schon etwas in die Kultur eingelesen hat. Sorry.
Ebenfalls gewöhnungsbedürftig: die regelmäßigen Stromausfälle auf ganz Kuba, die dann auch für mehrere Stunden anhalten. In einem Ort halb im Dschungel ist es dann nachts schon einmal stockduster.
Manche Restaurants, Bars und Diskotheken haben dann Notstromgeneratoren, das sind aber eher wenige. Auf unserer Reise hatten wir mindestens einen Shutdown pro Tag, wenn nicht zwei. WLAN (welches wenn überhaupt nur in unseren Hotels/Gastfamilien vorhanden war), gibt’s dann natürlich auch nicht. Genauso wenig wie Strom zum Laden von Smartphone sowie zum Nutzen von Glätteisen oder Föhn. Ich habe aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit ohnehin ziemlich schnell aufgegeben, meine Haare in irgendeine Form zu bekommen und musste mich mit meiner Naturkrause anfreunden. Genauso verhielt es sich mit Make-Up, es verlief sowieso, daher habe ich es schnell weggelassen. Aber es war ja eh niemand hier, den ich beeindrucken wollte – glaubte ich zumindest.
Angekommen in Viñales ging es weiter auf die nächste Farm. Unser Guide übersetzte deren Spanisch stetig auf Englisch. Ein zugegeben ziemlich heißer, junger Kubaner zeigte uns deren sehr einfaches Leben dort und ludt uns ein, Rum und Vodka im Wohnzimmer zu trinken. Nun, das Angebot nahmen vor allem Vanessa und ich gerne an. Die Spirituosen werden dort übrigens pur getrunken. Alright, war schließlich für die Erfahrung dort, let‘s go. Das dachte ich auch, als der Kubaner in die Runde fragte, wer einmal eine von ihm eben selbst gedrehte Zigarre probieren will. Ich meldete mich und schaute in die Runde. Alle schauten mich an, sonst meldete sich niemand. „Ernsthaft?“, dachte ich, „Jetzt meldet sich die Zweitjüngste und Kleinste der Runde, dass sie als Einzige die Zigarre rauchen will? Spießer.“ Der Kubaner half mir im Anzug (das klingt anzüglicher als es war) und ich war positiv überrascht, wie würzig mild sie schmeckte. Man pafft Zigarre übrigens nur. „War ja klar“, dachte ich mir, als alle schüchtern nachzogen und auch eine Zigarre rauchen wollten.
Abends ging es in ein Restaurant. An diesem Abend saß ich neben Phil, einer der Briten und stellte fest: Er ist gar nicht so spießig. Und wir verstehen uns gut. Die Mojitos ließen mich nach und nach auch freier Englisch reden und wir endeten in einer Tanzbar, in der natürlich Salsa getanzt wurde. Das ist der Abend, an dem mir der Brite also das erste Mal so richtig ins Auge fiel und interessant auf mich wirkte. Und jetzt konnte ich meine Haare nicht in Form bringen, verdammt!
Am nächsten morgen gingen wir auf den Hike unseres Lebens. Über Felder, mitten durch Büsche und Schlammkuhlen führte uns ein anderer Guide um Viñales herum. Ich sag euch, eine klassische Sporteinheit ist nichts dagegen. Es ging in einem Mordstempo einen Berg hoch, durch eine stockdüstere Höhle (nein, unser Guide hat kein Licht angemacht und ich hatte ernsthaft Angst um Steve, der mehr stolperte als lief) und wieder einen Berg runter, den ich mehr runter rutschte als lief. Ich habe selten so geschwitzt. In einem kleinen Holzhaus mitten im Nichts gab es als Entschädigung Piña Coladas, in die wir den Rum selbst hinzufügen sollten. Eine Extraportion auf den Stress - sowie ein Abendessen mit Blick auf die Prärie und eine Runde Spiele.
Nach knapp sechs Stunden Fahrt (wie gut, dass ich Kaffee vor der Reise abgesetzt habe!) kamen wir dann einen Tag später in Cienfuegos an. Hier sah alles so gleich aus, dass wir es nach einer Clubnacht wirklich geschafft haben, nicht zu unserer Unterkunft zurückzufinden, sodass uns unser Guide mitten in der Nacht aufgabeln musste.
Trinidad
Dementsprechend verkatert ging es am nächsten Tag nach Trinidad – und ich sag euch, DAS war meine Lieblingsstadt. Gegentrinken hilft bekanntlich und so gab es an diesem Vormittag erst einmal einen Chancháncharra, einen kubanischen Cocktail mit Rum, Honig und Limette, sowie ein paar Salsa-Rhythmen.
Wusstet ihr übrigens, dass die Kubaner nur Euros oder Dollar auf ihre Bankkonten einzahlen können, jedoch in Pesos bezahlt werden? Daher muss man Euro und Dollar vor dem Trip nicht umtauschen. Sie nehmen es liebend gerne. Als Rückgeld bekommt man allerdings Pesos. Mit dem Wissen gibt man dann doch gerne einmal mehr Trinkgeld, was auf Kuba ohnehin ziemlich common ist.
Am Strand konnten wir dann gemütlich auskatern, ein wenig im karibischen Meer schwimmen und uns einfach noch näher kennenlernen, bevor wir abends zusammen essen gegangen sind und weitere Drinks in einer Bar genossen.
Der nächste Tag war ein weiteres Highlight. Eine Reise auf einem Catamaran. Es ging auf eine kleine Insel mitten im Meer, wo wir zu Mittag aßen und uns mit ein paar Iguanas anfreundeten. Ich werde Karl sehr vermissen, war ein guter Zuhörer.
Mehr wie in „Fluch der Karibik“ werde ich mich wohl außerdem nicht fühlen können.
Unser Guide erzählte uns von einem Club in einer Höhle, in die wir am Abend gehen könnten und so nutzen Phil, Vanessa, Katrin und ich die Rückfahrt, um uns mit Rum, angereichert mit ein wenig Mangosaft, in Stimmung zu bringen.
Wir waren auch die einzigen vier, die nach dem Abendessen in einem Jazzrestaurant (ziemlich coole, junge Band mit einer Frau am Schlagzeug!) mit unserem Guide in den Cave-Club zogen und uns von dem Vibe einnehmen ließen. Es war total verrückt, einfach mal eine halbe Ewigkeit die Treppen runter in die Höhle zu steigen, bevor man den eigentlichen Club betritt. Die Musik? Natürlich Reggaeton und Salsa. Und überall schöne Menschen. „Are you on Dating platforms?“ fragte mich Phil. „No, just gave up and enjoy life now. How about you?” „Yeah, same.“
Last Night
Es ging zurück nach Havana, wo wir unseren letzten Abend verbrachten.. Nach einem ziemlich guten (wo war das gute Essen die letzten Tage?!) Abendessen in einem asiatischen Fusion Restaurant verabschiedeten wir uns mit ein paar Euros von unserem Guide und landeten noch in einer Bar. Und ehrlich gesagt, ich weiß nicht mehr, wie viele Long Islands wir getrunken haben. Es waren viele. Und ja, ich habe mich fast nur mit Phil unterhalten. Ob er mich interessant fand oder ob es einfach nur seine britische Höflichkeit war, konnte ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht sagen. Vier Stunden später machen wir uns alle ziemlich gut gelaunt auf ins Hotel, wo wir aber nicht müde waren, sondern uns mit noch ein paar Bier in den Aufenthaltsraum setzen wollten. Die Mädels holten Bier, die anderen Jungs gingen kurz auf ihre Zimmer und Phil und ich standen alleine im Treppenhaus. Es war eine Mischung aus dem Alkohol und dem Urlaubsvibe, der mir sagte:„du siehst ihn im Zweifel eh nie wieder“, und mich dazu brachte, ihn einfach zu küssen. Ich glaube selten floss so viel Adrenalin durch mein Blut. Und irgendwie fügte sich in diesem Moment alles. Es war klar, dass das kein Urlaubsflirt sein würde. Nicht, dass ich wusste, wohin das führt, mir war nur klar: das war keine einmalige Sache. Trotz der Umstände. Wir genossen von diesem Zeitpunkt an Zeit zu zweit.
Erst recht, als wir eine Stunde später alle eine Nachricht auf unsere Handys bekamen, dass unsere Flüge aufgrund des Hurrikans Ian, der am nächsten Tag auf Kuba treffen sollte, auf unbestimmte Zeit gecancelled waren. Denn so hart die Nachricht ist, nicht zu wissen, wann man nach Hause fliegen kann und dass einer der größten Hurrikans der letzten Jahrzehnte an einem vorbeizieht: ich hatte mehr Zeit mit Phil. Und die nutzten wir. Ohne große Kommunikation war klar, wir wollen das. Wir wollen uns wiedersehen, auch außerhalb von Kuba.
Hurrikan Ian
Wir hatten nun also unsere Flugzeiten, die der Briten unterschieden sich nicht groß von unseren. Aufgrund des Hurrikans hatten wir an unserem Abflugtag kein Frühstück und alle Restaurants (Supermärkte gibt es so auf Kuba nicht) hatten zu. Daher beschlossen wir, schon gegen vier Uhr nachmittags zum Flughafen aufzubrechen, dort müsste es ja irgendwas zu Essen geben. Und so nahmen wir drei der deutschen Mädels uns zusammen mit Rob und Phil ein Taxi – die schlimmste Fahrt meines Lebens. Nicht nur, dass ich dachte, das Autodach fliegt aufgrund des Windes gleich weg. Mit ca. 20 km/h fuhren wir die Straße entlang und unser Fahrer umfuhr Schlaglöcher, hielt mit Ach und Krach seinen Scheibenwischer am Laufen und wich uns entgegen fliegenden (großen) Ästen aus. Im Nachhinein die unsicherste Aktion, die wir hätten machen können und ich habe zwischendurch einfach die Augen zugemacht und gebetet, dass ich lebend am Flughafen ankomme.
Am Flughafen angekommen dann der nächste Shock: der Flughafen (eher eine Hütte) hatte zu. Wir standen also vor einem geschlossenen Flughafen in Orkanwinden, ohne Sitzgelegenheiten und erst Recht ohne Essen, Trinken oder Toiletten. Und der Flughafen sollte erst in 7 weiteren Stunden öffnen. Diese Situationen sind so absurd, dass man erst einmal denkt, das kann nicht stimmen. Die Stunden, die man vor den Türen auf dem Boden sitzt, lehren einen etwas anderes. Sie haben mich außerdem gelehrt, dass Phil genauso sehr auf Classic Rock steht wie ich. Also hörten wir uns gemeinsam unsere Lieblingslieder an, lehnten aneinander und hofften einfach das Beste. Im Nachhinein grenzt es an ein Wunder, dass ich weder Hunger, noch Durst hatte, nicht auf Toilette musste und einfach irgendwie ruhig war. Ich denke, der Körper schaltet in so Ausnahmesituationen um und reagiert einfach.
Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Hölle los brach.
Immer mehr Reisende kamen natürlich am Flughafen an und kamen so wie wir nicht ins Flughafengebäude. Spät abends öffneten dann die Türen und das Personal teilte uns mit, dass alle Flüge für heute gecancelled seien. Ich erinnere mich nur noch an ein Wirrwarr aus Leuten, verschiedenen Sprachen und vor allem daran, dass ich keine Benachrichtigung auf mein Handy bekommen hatte. Und als uns andere Deutsche dann erzählt hatten, sie hätten mit der deutschen Botschaft telefoniert und erfahren, dass in den nächsten 7 Tagen kein Flug von Kuba aus gehen würde, ging uns schon richtig der A*** auf Grundeis. Nach etlichem Hin und Her auf Englisch und Spanisch haben wir erfahren, dass unser Flug nach Deutschland ging, allerdings von einem anderen Terminal aus – der drei Kilometer weit weg war. In der Dunkelheit, im Nirgendwo, ohne Internet und eine Karte sowie bei orkanartigen Winden kam natürlich nicht in Frage, das Stück zu laufen – ein Taxi musste her. An einem Flughafen keine allzu große Schwierigkeit, sollte man denken. Jedoch fuhren bei dem Wetter einfach keine Taxen vom Flughafen. Ein Dutzend Leute kamen einfach nicht vom Flughafen weg, völlig unvorstellbar. Die Polizei, die vor Ort war, konnte natürlich auch nicht weiterhelfen, ist auch allen egal.
Offensichtlich hatten später ein paar Reisende ihre Bekannten in Havana kontaktiert, die ein Taxi gerufen hatten, welches dann rotierte. Ich bin Katrin bis heute so dankbar, dass sie sich in der zweiten Runde nach vorne boxte und das Taxi beanspruchte.
Am passenden Terminal angekommen, mussten wir noch zwei weitere Stunden warten, bevor er öffnete und ich ließ meinen Emotionen zum ersten Mal freien Lauf und weinte. Diese ganze Erfahrung war einfach eine Grenzerfahrung für mich gewesen, keine Hilfe zu erhalten, nicht zu wissen, wann ich die Insel verlassen könnte, die Wetterbedingungen, kein Essen oder Trinken seit über 24 Stunden, der schnelle und übereilte Abschied von Phil. Das alles wollte raus. Und ich ließ es fließen.
Im Terminal selbst schliefen wir noch einmal zwei Stunden auf den Bänken, bevor wir in den Flieger stiegen.
Nachgeschmack
Wie ich schon sagte, gibt es Reisen, die verändern einen nach mehreren Monaten. Und es gibt Reisen, die verändern einen nach kurzer Zeit schon. Ich wusste schon im Flieger zurück nach Deutschland, ich werde nicht mehr dieselbe sein. Im positiven Sinne. Etwas hatte sich verändert, auch wenn ich es noch nicht greifen konnte.
Hättet ihr mich vor zwei Jahren gefragt, ob ich eine Fernbeziehung führen will? Und dann auch noch in ein anderes Land? Ich hätte geantwortet „auf keinen Fall“.
Doch genau das tue ich mittlerweile. Und wenn ich tief in mich hinein höre, dann wusste ich es spätestens von dem Zeitpunkt unseres ersten Kusses an.
Ich bin ohne Umschweife vier Wochen später nach London geflogen und es fühlte sich richtig an. Als wäre alles aus diesem Grund passiert. Dass ich die Reise nicht stornieren konnte, dass ich die „falsche Reise“ gebucht hatte, meine Begegnung mit meinem Flug-Wein-Buddy, die durch den Hurrikan bedingten weiteren Tage in Havana und auch die Gespräche mit Leuten aus meiner Vergangenheit, die gerade nach und nach wieder auftauchen und mir von ihren funktionierenden Fernbeziehungen, teils auch über Ländergrenzen hinweg, berichten.
Viele fragen mich, wie wir das machen. Und ich kann nur sagen: es ist Commitment. Du entscheidest dich einfach immer und immer wieder für den anderen und er für dich. Wo ein Wille ist, da ist auch ein weg. Literally. Und den kreiert ihr zusammen.
Es mag verrückt klingen. Ich war anfangs vorsichtig, wollte es einfach laufen lassen und sehen, wie wir uns außerhalb von Kuba verstehen. Doch im Nachhinein betrachtet wusste ich sehr schnell, diese Begegnung war schicksalhaft. Ich mag Tage haben, in denen ich nicht sicher bin, was ich hier eigentlich mache, wo mein Leben mich hinführt. Nicht auf die Liebe bezogen. Generell. Aber ich versuche mir immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass ich das nicht genau wissen und planen muss. Viele Dinge ergeben sich spontan, einfach so. Kuba hat mir das gezeigt. Und natürlich strebe ich eine gemeinsame Zukunft mit meinem Freund an. Aber ich genieße auch den Weg und muss zum jetzigen Zeitpunkt nicht wissen, wie wir dahin kommen. Es wird sich zum richtigen Zeitpunkt ergeben. Vertrauen ist ein zentraler Punkt - in den anderen, in dich, in das Leben. Und trotzdem ich nicht weiß, wie lange diese Begegnung anhalten mag - vielleicht ist sie begrenzt -, bin ich voller Zuversicht, dass wir eine tolle Zeit zusammen verbringen werden und gespannt, wohin uns unsere gemeinsame Reise führen wird.
Eins kann ich euch aber mit Gewissheit sagen, meine Fernreise-Lust ist geweckt und wird auch dieses Jahr wieder gestillt werden müssen. Dieses Mal aber zu zweit.