Tanz der süßen Lichter
Inspiration
Ja, jeder kennt es. Das Gefühl stehen geblieben zu sein, nicht mehr vor und nicht mehr zurück zu können.
Man ist gefangen in dem Moment, in dem man nicht sein will.
Was will ich also vom Leben?
Ich will ein Abenteuer, Beständigkeit, Freiheit, Geborgenheit. Liebe.
Was ist Liebe?
Zwei Menschen, die einer chemischen Verknüpfung im Gehirn zum Opfer gefallen sind, zwei Menschen, die sich einander bedingungslos hingeben, ineinander gefangen sind. Sich gegenseitig verpflichtet sind.
Du siehst dich und diesen einen Menschen. Du schaust in diese wunderschönen Augen und fragst dich, ob du weit entfernt bist oder ganz nah dran. Du fragst dich, ob du eigentlich lieber ganz weit entfernt wärest, oder .. hautnah. Beides erfüllt dich mit einer Gänsehaut, beides macht dich unendlich traurig und beides erleichtert dich.
Ein Stein fällt dir vom Herzen, ohne dich jemals loszulassen.
Warum fragst du dich?
Ich frage dich: Hast du jemals jemanden geliebt?
Hast du dir jemals gewünscht ganz nah bei jemandem zu sein, ihn mit den acht Armen eines Oktopus zu umarmen, inklusive der gefühlten fünfhundertachtundneunzig Saugnäpfe?
Und hättest du auch kein Problem damit, wenn sich diese Saugnäpfe an deinen Körper drücken, dich erst zart und dann unmerklich forsch berühren?
Ich meine nicht deinen Körper, ich meine das, was du wirklich bist. Das, was du selbst gar nicht kennst.
Wenn ja, weißt du wovon ich rede, wenn nein, versuche, es dir erst gar nicht vorzustellen. Denn dieses Gefühl kann man sich selbst nicht aufzwingen.
Du kannst es nicht einfach hervorrufen und dann damit tanzen gehen. Auf der unglaublichsten Tanzfläche der Welt.
Kronleuchter hängen von der Decke, spiegeln den glänzenden Marmorboden, die goldenen, roten, blauen, grünen Lichter wieder, die dich nicht blenden, sondern dich liebevoll anfunkeln.
Sie bringen dich perfekt zur Geltung, zeigen deine Schokoladenseite.
Und die hat ziemlich was zu bieten. Alle schauen dich an, wollen dich mit Haut und Haaren – ganz!
Aber du folgst nur den Lichtern, die dich zu der einen Person führen, die so wundervoll in diesen Lichtern aussieht, dass du für einen kleinen Moment aufhörst zu atmen.
Dir tut es gut, gerade keine Luft zu bekommen, es erdrückt dich, du erstickst, du willst den Moment nicht loslassen! Niemals!
Die Luft drückt sich aus deiner Lunge und schiebt dich leichtfüßig an den Körper dieser Person, den Mittelpunkt deines kleinen, verzückten Universums, der heller strahlt, als die Sonne.
Sie scheint so warm und auch so heiß, dass du dir jederzeit die Finger verbrennen kannst, wenn du zu nah dran bist – auch wenn du vielleicht niemals nah genug an sie heran kommen wirst.
Aber dieser Schmerz tut so gut, er ist wie ein Rausch und du willst nie wieder nüchtern werden.
Du willst es, wie den Orgasmus, der niemals aufhört und genau die Person hervorbringt, die du wirklich bist und auch sein willst – selbst wenn du dich so sehr vor dieser fürchtest.
Nun, jemand kann dir also dieses Gefühl geben und du kannst es annehmen und mit ihm auf die Tanzfläche gehen, wenn du mutig genug bist.
Hast du nun Angst?
Warum solltest du?
Kein Grund zur Panik, Liebende verbrennen sich aneinander, verlieren sich ineinander, verlieren ihre Ziele, stärken ihre Leidenschaften, sie verlieren das aus den Augen, was sie eigentlich wollen und definieren es am Ende neu. That’s life. Oder?
Das Leben verändert uns alle, es ist nicht deine Schuld.
Stelle dir Bruchstücke vor, die in deinem Kopf hin und her schwingen, mal schneller, mal langsamer.
Wie zwei Menschen auf einer Tanzfläche, der Musik hingegeben.
Musik: Man verliert sich in ihr, nur hat man nicht das Gefühl etwas zu verlieren. Für einen Moment ist man bedingungslos, frei, geborgen, voller Liebe und trotzdem befreit.
In diesem Moment - von dem ich noch nicht weiß, ob ich gerne in ihm gefangen bin oder lieber mit aller Macht aus ihm ausbrechen würde - befinde ich mich im angesagtesten Club der Stadt. Coole Hip Hop Beats, heiße Salsa-Rhythmen und satte House Musik finden zueinander und passen auf eine ungewöhnlich gute Art und Weise zueinander.
Der Typ vor mir ist... keine Ahnung. Er hat ein paar Minuten an der Bar einen ganz passablen Eindruck gemacht. Strahlende grüne Augen, ein nettes Lächeln. Ein paar charmante unaufdringliche Worte. Zu diesen leuchtenden Augen gehört zudem ein männlicher Dreitagebart und ein Körper zum anbeißen.
Zugegeben, die hellste Kerze auf der Torte ist der Gute nach einer 5-minütigen Unterhaltung nicht. Und, nunja, da ich neben einem heißen Körper nun mal auch auf zumindest ein bisschen, am liebsten überdurchschnittlichen IQ stehe, rettet ihn sein Körper heute nicht.
Etwas enttäuscht, aber irgendwie auch von seiner Männlichkeit angezogen schreite ich auf ihn zu und... na ja küsse ihn wenigstens, bevor ich schnellstmöglich wieder in der Menge verschwinden wollte.
Klingt das nach jemandem, der es unbedingt nötig hat?
Was ihr auch denkt, ich sehe mich bei Weitem nicht so. Ich bin Melli, ich bin jung, ich würde mich als freigeistig bezeichnen. Ungestüm? Manchmal. Ich mache, wonach mir der Sinn steht, ohne groß darüber nachzudenken. So machen wir doch unsere schönsten Erfahrungen, oder?
Gut, der Kuss dauerte etwas länger, während sein Körper meinen gekonnt an den Tresen drückte und ich meinen Unterleib an seinem rieb. Ich gebe zu, ich war am Glühen.
Ihr könnt euch das jedoch wie eine Wunderkerze vorstellen, die brennen hell, aber nun einmal nicht allzu lange.
Dieses Feuer verbrannte sogar kurzzeitig Synapsen in meinem Gehirn, vielleicht war er doch gar nicht so doof.
Meine Hände arbeiteten sich also vor, mein Körper forderte seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
Das ist untertrieben, ich wollte es auf der Stelle hart mit ihm auf dem Tresen treiben.
Die anderen Partygäste?
Die hatte das Feuer wohl unlängst aus meinem sonst nicht so nachgiebigen Gehirn gebrannt.
Mit aller Kraft zwinge ich meine Hände, die unter schwerem Einfluss meiner Libido stehen, diesen Oberkörper auf Abstand zu halten und lege den Kopf schief.
Blinzelnd schaue ich meinem Verehrer in seine mandelförmigen Augen und stelle mir die Frage, warum so einem atemberaubender Körper nicht auch ein atemberaubender Geist innewohnen kann und noch viel mehr, was meinen überdurchschnittlich aufmerksamen Geist dazu veranlasst hatte, diesen Fakt zu ignorieren.
Ich schüttel kaum merklich den Kopf, was meine Synapsen wieder dazu veranlasste, sorgfältig zu arbeiten.
Zwei Hände umfassen meine Hüfte von hinten und eine vertraute Stimme flüstert mir ins Ohr: „Darf ich dich retten, Schnecke?“
Ein Grinsen tritt mir ins Gesicht.
„Meinst du, ich werde der Situation nicht Herr, ja?“
„Das bezweifle ich keineswegs, allerdings würde ich gerne Herr der Situation werden, indem ich meine beste Freundin aus den Händen eines selbstverliebten Mannes rette. Und wie die Erfahrung unlängst gezeigt hat, sind die Kerle, die noch selbstverliebter sind als du, gar nicht gut für dich, Prinzessin.“
Ich seufze, da hatte er wohl ausnahmsweise mal Recht.
Bevor ich weiter über die Definition von Selbstverliebtheit grübeln kann, dreht er mich zu sich um und grinst mich verzückt und überzeugt, mit einer schmackhaften Prise Überheblichkeit, an – ein typisches Grinsen meines besten Freundes eben.
Seine Unbekümmertheit springt direkt auf mich über, wie zärtliche Funken, die dich nicht verbrennen wollen, sondern spielerisch anstupsen.
Meine Beine bewegen sich wie von selbst zu Because I'm happy. Clap along if you feel like happiness is the truth. Ich lasse die Hände meines Freundes los und laufe im Takt ein Stück rückwärts, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
Er versteht sofort – es ist eine Herausforderung.
Man zeigt einfach, was man in diesem Moment fühlt, überlässt den Körper den Musik, schaltet ab.
Für mich ist es wie Meditation, Yoga oder so.
Es ist wie Liebe, nur ohne Zwang, ohne Druck, ohne Angst und mit doppelt so viel Spaß.
Die Liebe zur Musik eben - welche wir gleichermaßen teilen.
Wir liefern uns ein spielerisches Battle, in dem wirklich jede Bewegungen aufeinander abgestimmt sind, obwohl wir sie einfach so nehmen, wie sie in unseren Kopf kommen.
Er kommt ganz nah an mich heran und ich schaue zu ihm hoch, während ich gleichzeitig mit ihm auf einer Ebene bin.
Jetzt fragt ihr euch bestimmt, warum ich nicht mit ihm zusammen bin.
Freundschaft spielt sich auf einer anderen Ebene ab, sie ist das, was die Liebe nicht ist, locker, frei, unbelastet und trotzdem voller Geborgenheit und Leidenschaft – in anderer Weise, ohne Glassplitter, die einem in die Haut schneiden, wenn man es echt nicht gebrauchen kann.
Inzwischen hat sich kaum merklich ein Kreis um mich und meinen Freund gebildet, dessen Mitglieder uns zujubeln und anfeuern.
In diesem Moment rast immer eine unbeschreibliche Ladung Adrenalin durch meinen Körper.
Diese, meine körpereigene, Droge schaltet alles um mich herum aus, es gibt nur Farben, Musik, Licht und meinen Körper, der sich der Umgebung hingibt.
Klingt äußerst gefährlich, ist aber zugleich unglaublich aufregend und macht mehr als süchtig. Man hat keine Idee, wohin mit der ganzen Energie, man hat das Gefühl, jeden Moment Feuer zu fangen.
Ich weiß gar nicht, welche Abfolge von Bewegungen ich tanze, es geht in atemberaubender Geschwindigkeit hoch und runter, rund herum und ich weiß, ich kann nicht fallen, denn er fängt mich auf, egal was passiert.
Den Leuten scheint es zu gefallen. Ich setze zu einer Drehung an und mein Freund zieht mich zu sich heran, wirft mich nach hinten und ich lasse mich fallen. Ich biege meinen Rücken, damit das Adrenalin mit dieser ruckartigen Bewegung aus mir heraus fließen kann – alles Schlechte aus meinem Körper mit sich nehmend.
Ein erfülltes Lächeln und erfrischende Leichtigkeit sind, was bleibt.
Es war unser letzter Tanz.
Buddy, don’t you cry, when she goes? ‘Cause life is cynical despite your heart of gold.
- MØ, XXX 88