Drei Drinks - oder ein Mädchen an der Bar
Da stehe ich an der Schwelle zu 26 Jahren und bin wieder single. Es ist einfach passiert, völlig unromantisch, ohne Rosen und Kerzen. Und nach einer kurzen Phase des Hyperventilierens und tagelangen Schlafens muss man ja auch irgendwann mal wieder raus an die frische Luft.
Es ist nicht das erste Semester
Es sind nicht die ersten Tage im neuen Job. Es ist nicht der erste Tag in einer neuen Stadt. Du fühlst dich heimisch. Scheint doch alles in Ordnung, oder?
Man geht an die frische Luft, einfach eine Runde spazieren, lässt sich einfach treiben, genießt die neue Unabhängigkeit und findet sich plötzlich in einer schummrigen, etwas heruntergekommenen Bar wieder.
Kurz überlege ich noch, wie es so weit kommen konnte, dass ich an diesem Dienstag (!) Abend alleine am Tresen stehe, da wird mir schon der erste Drink gereicht. Ich will meinen Geldbeutel zücken, doch der Barkeeper drückt diesen wieder in meine Tasche. Ich gucke ein wenig entrüstet, ich bin eine emanzipierte Frau, ich will mich doch nicht aushalten lassen! Aber sein Lächeln lässt mich durchatmen und einfach mal als Single-Frau einen hoffentlich guten Drink annehmen. Warum denn auch nicht? Ist doch nichts dabei! Und ich bin Studentin, ich darf das!
Eindrücke aufsaugen
Mein erster Schluck ist passabel, also trinke ich weiter und lasse meinen Blick durch die Menge schweifen. Es scheint niemand so wie ich alleine an der Bar zu stehen. Obwohl es mir zu diesem Zeitpunkt ein gutes, unabhängiges Gefühl gibt, wie ich finde. Ich mein, der Drink aufs Haus spricht doch für sich, oder?!
Muss ich wirklich immer Menschen dabei haben, um mich weniger allein zu fühlen? Ich lächle und gerade, als ich die Stimmung (und den Alkohol) zu genießen beginne, werde ich von hinten umarmt. Zwei Freunde fallen mir um den Hals, stellen ihre Getränke neben meins und erzählen mir die neuesten News... Ich bin begeistert, die beiden zu sehen.. naja ich versuche ihnen das Gefühl zu vermitteln. Es funktioniert, glaube ich. Oder sie sind einfach sehr angetrunken.
Aber so schnell, wie sie ihr Getränk neben mir abgestellt haben, so schnell sind sie auch schon wieder verschwunden. Und zurück bleibe ich mit drei Getränken und der Frage, ob das auf andere irgendwie verzweifelt wirkt. Ein Mädchen. Mit drei Getränken. Alleine an der Bar.
Meine kleinen Babies
Ich sehe schnell das Positive: Mehr freie Drinks für mich! Während ich also genüsslich abwechselnd Gin Tonic, Radler und Apfelsaft mit Vodka (naja ich glaube es war Apfelsaft mit Vodka) schlürfe und sich meine Blicke an den zunehmend heißer werdenden Barkeeper heften stellt jemand noch einen vierten Drink neben meine kleine liebgewonnene Familie. Ich bin ja eigentlich tolerant, aber ich schiebe beschützend meinen Hände um meine drei hart erschnorrten Getränke, schiele rüber und... wer zu Hölle wagt es jetzt schon wieder meinen Abend in netter alkoholischer Gesellschaft zu stören?!
„Hey, ich bin Lukas*, ich habe meine Leute verloren und bin alleine hier.“
Ob es nun eine schlechte Anmache oder einfach Ehrlichkeit mit einem Hauch Verzweiflung ist. Es wirkt in diesem Moment einfach sympathisch auf mich. Also teile ich meinen neuen Freunden einfühlsam mit, dass ich gleich wieder für sie da bin und lasse mich in ein Gespräch verwickeln. Es geht um Berlin und Köln, Schlagzeug und Gesang, Rock und HipHop und den Typ mit dem Topfschnitt auf der Bank in der Ecke. Wir wetten um einen Shot. Der sexy Barkeeper sammelt von Lukas selbstbewusst fünf Euro für die beiden Shots ein und ich muss schmunzeln.. Zumindest weiß ich jetzt, dass er nicht jedem Drinks for free kredenzt. Und höchstwahrscheinlich hetero ist.
Ich muss lachen und stelle ganz nebenbei mit Vergnügen fest, dass sich sein Drink ganz vorzüglich mit meinen drei Babies versteht. Die beiden Shots haben leider keine Zeit, sich meiner kleinen Bande anzuschließen und lassen meine Laune noch ein Stück weiter in die Höhe steigen.
Und am Ende wird alles gut?
Nachdem sich Lukas um fünf Euro ärmer und um meine Telefonnummer reicher höflich (!) von mir verabschiedet, tauchen meine zwei Freunde wieder auf und reißen mich und meine neuen Freunde auseinander.
Ich bin etwas pikiert, hab ich doch so gut auf sie aufgepasst und sie gerade erst in mein Herz geschlossen... Der Barkeeper scheint die Situation zu verstehen und keine drei Sekunden später habe ich einen neuen Vodka-Apfelsaft vor meiner Nase dessen Strohhalm sanft meine Nase anstupst. Oh hallo, ich denke wir zwei werden gute Freunde! Und kann jemand diesem Barkeeper bitte ein Abzeichen verleihen?!
Glücklich verlasse ich die Bar zu später Stunde und stelle fest: ich habe mich mal wieder ein Stück weit mehr mit mir selbst angefreundet. Ich gehe niemals alleine in eine Bar, ich habe mich dabei! Und ich werde mir demnächst direkt drei Drinks auf einmal bestellen. Damit sie sich nicht alleine fühlen.
* Name von der Autorin geändert