Eine Schauspielerin und ihre Welt
Wie betrachtet man als SchauspielerIn die Welt? Ein Einblick.
Wenn ich ins Theater gehe, betrachte ich das Stück zum Einen aus Sicht der Regie. Was hat der Regisseur sich dabei gedacht, das Licht in dem Moment zu dimmen und ein Spotlight auf den etwas dubios aussehenden, riesigen Nebendarsteller am Rand der Bühne zu werfen? Der scheint ebenso überrascht, im Rampenlicht zu stehen. Teil der Inszenierung?
Des weiteren betrachte ich das Stück – was noch um einiges interessanter ist – aus schauspielerischer Sicht.
Nicht nur im Theater, auch bei Filmen. Sicher fange ich schnell an, die Thematik durch zu analysieren. Das Spannendste ist definitiv der Austausch nach der Aufführung!
Ich würdige aber auch jede schauspielerische Leistung.
Ob das positiv ist oder negativ, ist Interpretationssache: man kann sich nicht immer in die Handlung hinein versetzen, man lässt sich aber auch nicht so leicht hinein ziehen.
Da sind diese verstörenden Charaktere in „Asylum“, einer Staffel von American Horror Story. Eine Frau wird verstümmelt und das erste, was ich denke ist, wie aufwendig die Maske sein muss und mit welcher Technik sie es schaffen, dass die Schauspielerin keine Beine mehr hat. Sicherlich eine blaue Strumpfhose mit späterer digitaler Nachbearbeitung.
Dann google ich die Schauspieler und während mein Freund gebannt die nächsten Szenen verfolgt und das Popcorn alleine wegfuttert (das ist neben mir auf jeden Fall eine Leistung!) gehe ich die Lebensläufe der Schauspieler durch und sehe mir die Making-Ofs auf Youtube an. Wie sind sie wohl im echten Leben?
Als Schauspieler nehmen viele immer einen Bruchteil ihrer Persönlichkeit mit in die Rolle. Mal mehr, mal weniger. Nicht zufällig spielen einige Schauspieler immer ähnliche Rollen in ähnliche Genres und auch nicht umsonst achten Regisseure darauf, dass der Schauspieler zur Rolle passt.
Es kommt drauf an, wie sie die Rolle für sich interpretieren.
Barney Stinson zum Beispiel wurde nur durch die Interpretation von Patrick Neil Harris so ein einprägsamer Charakter. Es liegt an jedem Schauspieler, seiner Rolle eigene Charakterzüge zu geben und ihr das gewisse Etwas zu geben, was sie im besten Fall unverkennbar macht. Nicht alles steht im Skript.
Schmerzerfüllte Schreie und das grausame Geräusch brechender Knochen hallen vom Fernseher zu uns rüber, die Szene besteht aus reinem Blut. Angewidert schiebt mein Freund mir das restliche Popcorn rüber. „Mir ist der Appetit vergangen“ würgt er hervor. Ich zucke mit den Schultern, knabbere genüsslich weiter und stelle mir vor, wie schokoladig wohl das Kunstblut schmeckt. Eher soll Vollmilch oder Zartbitter? Wahrscheinlich zu künstlich.
Mein Interesse wurde wohl damals , als ich so fünf oder sechs Jahre alt war, in den Universal Studios in Florida geweckt. Nach einer kurzen Einleitung, wie Filme funktionieren ging es für uns in eine präparierte U-Bahn mit zugeteilten Sitzplätzen. Nach ein paar Sekunden Fahrt ruckelt es wie bei einem Erdbeben, kontrollierte Flammen neben der Bahn lassen klein Daisy aufweinen. Könnte ja doch echt sein. Unversehrt und lebendig verlässt sie 5 Minuten später das Fahrgeschäft und will unbedingt mehr wissen.
Der Weg zum Backstage Junkie beginnt und ich werde ganz schnell abhängig.
Als Tochter eines Musikers bekomme ich bei vielen Konzerten und anderen Vorstellungen einen Einblick hinter die Kulissen, wie funktionieren Tontechnik, Licht, ich spüre quasi die Aufregung der Künstler und sehe ihren professionellen Umgang damit.
Make-Up als Fedka - “Die Besessenen”
Vor jedem Stück analysiere und interpretiere ich, ich probiere aus, ich spreche mit hoher und mit tiefer Stimme. Ich spreche langsam, ich spreche schnell. Welche Bewegung wirkt natürlich im Sinne der Figur? Wie würde der Charakter sprechen, was würde er dabei denken, dabei fühlen?
Auf Theaterbühnen setze ich meine Neugierde, mein Wissen und meine Gedanken um. Ob in einer Märchen-Adaption als Gretel (nicht die Hexenjäger!), im Kindertheater Jim Knopf als Scheinriese (Schein(!)), ob im selbst inszenierten Stück Liebe als hitzige Romantikerin oder im gesellschaftskritischen Musical als Rebellin: Man fühlt sich so frei auf der Bühne, obwohl man ja eigentlich nicht man selbst ist.
Und das ist etwas, was ich mit in den Alltag nehme, teils gewollt, teils ungewollt.
Erster Trugschluss: Schauspieler sind automatisch gut in wissenschaftlichen Präsentationen. Meine erste Präsentation an der Uni war ein Spießrutenlauf für mich. Aufregung, Verhaspeln, Blackout. Was ich zu Hause noch auf den Punkt genau vortragen konnte war wie weggeblasen. Und das obwohl mir Bühnenauftritte nicht fremd waren Vor den Professoren musst DU nämlich abliefern, und nicht deine Figur. Großer Unterschied!
Die nächste Präsentation hielt nicht Desi, sondern Layla: fokussiert und extrem selbstsicher vor Publikum, was einen wissenschaftlich auseinander nimmt, weil sie es einfach drauf hat. Sie lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Nach zwei bis drei weiteren Vorträgen verschmelzen sie und Desi zu einer Person und so hat sie ihr geholfen, selbstsichere Vorträge zu halten.
Was ich also jedem empfehlen kann: Macht mal einen Improvisationskurs mit.
Die Auseinandersetzung mit einer Figur, mit einer Rolle kann euch sehr viel Inspiration und neue Sichtweisen auf verschiedenste Dinge geben. Im Business so wie in anderen Berufszweigen.
Mit welchen Charakterzügen identifiziert ihr euch? Welche findet ihr gut und welche weniger? Wie würde die Person in diversen Situationen handeln?
Was nehmt ihr mit?
Ihr interpretiert und analysiert vielleicht mehr, was in einigen Situationen auf den ersten Blick sicher nicht hilfreich erscheint. Seid ihr aber über diese Einarbeitungsphase hinaus, könnt ihr euch schnell in neue Situationen hinein versetzen und gleichzeitig intuitiv und kontrolliert handeln.
Denn nicht vergessen: Ihr seid immer Herr dieser Situation, ihr kreiert euch in dieser Situation.
Nur Mut. Layla ist mutig. Du bist Layla. Du bist mutig.