Cuba - here's the story - Part 1

Eine Laune

Vor fast fünf Jahren trennte ich mich von meinem damaligen Freund. Es war eine langjährige und gute Beziehung, wir kannten uns seit zehn Jahren. Doch etwas sagte meinem 25-jährigen Ich, dass das draußen noch mehr ist, was ich für mich alleine entdecken musste. Und das tat ich. Ich entdeckte die ganze Bandbreite von Glück und Schmerz. Über Aufregung, Ablehnung, Betrug, Lügen, verrückten Momenten und auch einer langjährigen On-Off-Beziehung war alles dabei.

Sicher erlebt jeder seine eigene Geschichte und ohne Zweifel hat jeder schon einmal seine ganz eigene Bekanntschaft mit Schmerz gemacht.

Als mir das alles vor einem Jahr trotz intensiver, längerer Schattenarbeit über den Kopf wuchs und meine On-Off-Beziehung durch ein Ereignis endgültig beendet wurde, buchte ich aus einer Laune heraus einen Kuba-Tripp – ebenfalls alleine.

Ich würde mich selbst als weltoffenen Menschen bezeichnen, oft und weit gereist. Neugierig auf verschiedenste Eindrücke und Kulturen. Verrückte und lebendige Städte, vibrierendes Nachtleben, atemberaubende Strände, der Geruch nach etwas Fremden, was sich dennoch so vertraut anfühlt. Manche beschreiben es als klassisches Fernweh und ich gab dem nach. Ich fühlte mich bereit für ein Abenteuer und wollte vor allem eins: weit weg.

Stress

Es folgten vier Monate Vorfreude und Angst. Sie wechselten sich in einem ziemlichen Gleichschritt ab. In einem Moment durchströmte mich ein wohliges Kribbeln, wenn ich an den bevorstehenden Trip dachte, im nächsten kamen Sorgen, dass ich alleine nicht klar kommen würde und mich ein Hurrikan wegfegen würde. (okay, der kam am Ende tatsächlich, aber dazu später.) Fragt meine Freunde, ich denke, sie konnten am Ende nur noch die Augen verdrehen, dennoch sprachen sie mir ununterbrochen Mut zu.

Eine Woche vor Abflug bekam ich dann erst einmal eine heftige Grippe und wollte alles canceln. Es war mir auch eigentlich recht, war das Ganze doch eine totale Schnapsidee und meine gemütliche Wohnung in meiner Kleinstadt zehnmal einladender als so ein fremdes Land, in dem man als Frau abends alleine lieber nicht auf die Straße gehen sollte. Nach ein paar Telefonaten und Sichten der AGBs war aber schnell klar: Ich würde mein investiertes Geld im Krankheitsfall nur zu einem kleinen Teil zurückerstattet bekommen. Da ich keinen vierstelligen Betrag aus dem Fenster werfen wollte, habe ich mich also im September letzten Jahres mit einem dicken Schal um den Hals auf zum Frankfurter Flughafen gemacht – Ziel: ein Land mit 32 Grad Durchschnittstemperatur.

Ich versichere euch: Ich bin vor Antritt der Reise mindestens zehnmal durchgegangen, ob ich alle nötigen Dokumente habe. Reisepass, Visum, Nachweis meiner Reisekrankenversicherung auf Spanisch usw. Am Gate wartete ich dann auf den Einlass zum Boarding und hörte durch Zufall eine Passagierin mit dem Personal reden, welches ihr sagte, dass Sie eine Einreisegenehmigung brauchte, die online auszufüllen war. Neben dem Visum. Herzklopfen. Nach ein paar Gesprächen mit dem Personal hatte ich sie dann auch am Handy ausgefüllt – gerade noch rechtzeitig, denn hätte ich Sie nicht bei der Einreise nach Kuba vorzeigen können, hätte ich auf eigene Kosten wieder nach Deutschland zurückfliegen müssen. Ich war also, wie ihr euch denken könnt, schon vor Beginn dieser Reise nervlich völlig am Ende. Umso gelegener kam es mir, mich zwölf Stunden im Flieger einfach entspannt zurücklegen zu können.

Der Flug war übrigens trotz der langen Flugzeit eines meiner Highlights und für mich schicksalhaft. Warum? Lest weiter.

Begegnung

Als Frau, die dieses Jahr die 30 erreicht, wollte ich meinem Rücken etwas Gutes tun und habe die Premium Economy Class gebucht – bequemere Sitze mit deutlich mehr Beinfreiheit und einer großen Filmauswahl. Die ich auch schauen wollte – ich bin kein großer Smalltalker auf Flügen. Als unser erstes Essen kam, bestellte meine Sitznachbarin allerdings einen Weißwein zu ihrem alkoholfreien Getränk dazu und erhielt ihn FOR FREE!! So kam ich doch mit ihr ins Gespräch und erfuhr, dass alkoholische Getränke hier im Preis mit inbegriffen waren – ein Segen für meine Nerven und der Beginn einer situativen Flug-Freundschaft! (Disclaimer: Alkohol ist keine Lösung für psychische Probleme und sollte wenn überhaupt nur in Maßen verantwortungsvoll konsumiert werden.)

Drei Gläser Weißwein später erfuhr ich, dass sie 34 Jahre jung war, aus Dortmund kam und auf dem Weg nach Jamaica war (der Flug ging nach seinem Stop auf Kuba direkt weiter nach Montego Bay und von dort zurück nach Deutschland) – zu ihrem Mann. Ihre Story? Sie hat ihn vor acht Jahren auf einer Jamaica-Reise mit ihrer Freundin auf der Straße kennen gelernt. Sie haben sich verliebt und geheiratet – trotz der Entfernung, trotz Schwierigkeiten mit seinem Visum, trotzdem sie sich in Corona-Zeiten eineinhalb Jahre nicht gesehen haben. Ich glaube von ihren Fotos übrigens, dass sie wunderhübsche Kinder haben werden. Tief beeindruckt und weitere drei Gläser Wein später wünschte ich ihr eine gute Weiterreise und verließ beschwingt den Flieger.

Tiefpunkt

Es gibt Reisen im Leben, die bringen dich innerhalb von mehreren Monaten an einen bestimmten Punkt. Und es gibt Reisen, die bringen dich innerhalb von 11 Tagen an diesen Punkt. Es kommt auf viele Faktoren an, ich würde niemals mehr pauschalisieren, dass einen die Zeit irgendwohin bringt, es ist genauso die Intensität, deine innere Offenheit, deine eigene Vorarbeit. Und manchmal einfach Schicksal.

Mein erster Eindruck von Kuba und insbesondere Havana fühlte sich allerdings überhaupt nicht schicksalshaft an. Nach einer eher unsanften Landung im Gewitter der erste Schock: kein Internet. Und ich meine wirklich kein Internet, kein WLAN, einfach offline. In einem fremden Land. Für mich als Digital Native völlig unglaublich. Dennoch fand ich meinen Fahrer, der mich mit zwei anderen deutschen Mädels, zum Hotel in Havana bringen sollte.

Es gibt Menschen, mit denen hat man einfach von Anfang an so einen Vibe, ohne auch nur ein Wort zu wechseln. Das sind wirklich besondere und großartige Momente. Und dann gibt es welche, mit denen hat man das nicht. In meiner Situation traf Zweiteres zu.

Wir schwiegen die 45-minütige Fahrt und ich ließ die Umgebung auf mich wirken: in erster Linie grün, Kuba ist ein extrem fruchtbares Land. In zweiter Linie ziemlich heruntergekommen. Die Straßenverhältnisse? Jede:r “Vorzeige-Deutsche:r” würde sich in den nächsten Fliegen nach Hause setzen. Und auch ich gebe zu, ich hätte es gerne gemacht. Schlaglöcher weit und breit, die Straße glich einer Art Minenfeld. Wenn ich nicht glaubte, das Auto bricht jeden Monat auseinander, betrieb unser Fahrer spontane Slalom-Manöver. Als wir nach Havana reinfuhren und es nach wie vor regnete, stieg mir als allererstes ein unangenehmer Geruch in die Nase und ich sah vor allem eins: Armut. An den Gebäuden und an den Menschen auf den Straßen. Und Englisch sprach im Hotel schon einmal gar keiner. Ganz ehrlich? Ich hatte meinen persönlichen Tiefpunkt erreicht. Ich wollte einfach nur nach Hause.

Mut

Da saß ich nun, alleine in meinem (spartanisch eingerichteten, aber sauberen) Zimmer, abends bei Regen in Havana. Ohne Internet. Ohne Google Maps (nicht dass ich nachts alleine als Frau auf die Straße gegangen wäre.) Ich war dennoch zu aufgewühlt, um mich schlafen zu legen, also habe ich der Frau in der Lobby mit meinem recht holprigem Spanisch versucht zu erklären, dass ich WLAN bräuchte. Fünf Stunden für fünf Euro – gebucht!

Internet existiert auf Kuba erst seit ca. zehn Jahren. Es ist also nicht mit unserem Internet zu vergleichen. Der Upload einer Instagram Story dauerte ca. 10-15 Minuten. Oft habe ich mein Smartphone dann einfach zur Seite gelegt und hochladen lassen.

First step done. Ich wurde mutiger. Als nächstes wollte ich jemanden finden, der genauso verloren war wie ich. Also fragte ich, in welchem Zimmer eines der anderen deutschen Mädels untergebracht war, die mit mir angereist sind. Ich klopfte an die Tür, stellte mich vor und habe wirklich gefragt, ob sie sich auch so verloren fühlt wie ich. Die Antwort war ein ziemlich klares JA und meine erste Reisebekanntschaft war geknüpft. Zu zweit ist man schließlich weniger allein.

Havana

Es ist schwierig zu beschreiben, wie Havana so ist. Zu dritt sind wir also am Sonntag Mittag durch ein paar Straßen gezogen. Der Geruch war nach wie vor unverändert. Die Eindrücke waren aber unglaublich einmalig und prinzipiell genauso, wie man es sich von Erzählungen vorstellt. Es wird auf jeden Fall etwas überbewertet meiner Meinung nach, aber man muss nur wissen, wo man hingeht, und entdeckt wunderschöne historische Bauten, die gerade, weil sie etwas heruntergekommen sind, unglaublich charmant sind. Man spürt außerdem einen extrem lebensfrohen Vibe der Menschen, die dort leben und eigentlich nichts haben. Natürlich wird man an jeder Ecke angesprochen, jeder möchte einem etwas verkaufen und als Frau wird einem auch oft hinterhergepfiffen und einem werden anzügliche Kommentare hinterhergerufen. Das gehört dort allerdings zur Kultur und Frauen dort empfinden es als Beleidigung, wenn man es nicht tut. Wenn man Anfragen dankend ablehnt oder auch mal ignoriert, wird man aber schnell in Ruhe gelassen.

Besonders auffällig: Straßenmusiker überall, auch in jeder Bar. Guajira, Música campesina, Salsa, Habanera und all die kubanische Musik. Man kann sie nur lieben lernen. (Ich habe schon vor meinem Urlaub immer wieder Playlists dieser Stile gehört, liebte sie also bereits.)

Extrem günstig: Rum in allen Varianten. Um 11 Uhr vormittags haben wir Mädels uns daher auch unseren ersten Mojito gegönnt. Cheers: auf eine abenteuerliche Reise.

Abends dann das Kennenlernen unseres Guides und anderer Mitreisenden mit der Erkenntnis, dass ich nicht wie gedacht die „Twenty-to-Thirtysomethings“-Reise gebucht hatte, sondern jene mit dem offenen Alter. Teil unserer kleinen Reisegruppe für die nächsten Tage waren also ein 70-jähriger Musiker aus Manchester, mit mir 4 deutsche Mädels zwischen 25 und 34 und zwei 39-Jährige Briten aus London. Ich Nachhinein betrachtet: wahrscheinlich war die „Fehlbuchung“ Schicksal.

Steve (70) war eine Klasse für sich, fragte aufgrund seines Hörverlusts oft dreimal nach und packte erst einmal 20 Blatt Papier auf den Tisch, die er mit dem Guide durchgehen wollte. Die deutschen Mädels hatten alle einen so ganz anderen Vibe als ich und die beiden Männer (Phil und Rob) aus London kamen mir im ersten Moment einfach spießig vor. Robs Koffer kam nicht an, seine Laune konnte ich im Nachhinein also nachvollziehen. Na das konnte ja was werden. Einzig unser Guide, ein Native Kubaner, war sehr lustig und aufgeschlossen.

Die Reise geht weiter in Teil 2!

Desiree Blasberg